Messe für Elektronik-Recycling

Zur Ausgangslage

Elektro- und vor allem Elektronikgeräte haben eine immer kürzere Nutzungsdauer und umgeben uns gleichzeitig in zunehmendem Maße – unabhängig davon, ob deren Einsatz im beruflichen, gesellschaftlichen oder privaten Kontext steht.

Um wettbewerbsfähig zu bleiben und Umsatzzahlen zu steigern, bringen die Hersteller immer öfter neue Produkte oder Updates bzw. Produktvarianten auf den Markt. Sei es eine technische Verbesserung, wie die Erweiterung der Speicherkapazität bei PCs, eine Erleichterung im Gebrauch durch Gewichtsreduzierung bei Laptops, oder einfach eine Modeerscheinung beim neuesten Modell eines Smartphones – schon ist das neue Modell bestellt oder gleich mitgenommen. 

Die Nachfrage nach Elektronikgeräten wächst seit Jahrzehnten ununterbrochen. Pandemiebedingt hat diese Nachfrage einen zusätzlichen Wachstumsimpuls erhalten, beispielsweise um – vorwiegend in den westlichen Ländern – Computerplätze für Homeoffice und Homeschooling auszustatten, oder um eine computerbasierte Freizeitmöglichkeit für die infolge von monatelangen Ausfällen an sportlichen Aktivitäten, Gruppenaktivitäten oder Schul- und Kindergartenschließungen zu Hause „gestrandeten“ Kinder und Jugendlichen zu schaffen.

Das Resultat

So häufen sich nicht mehr benutzte (obwohl oftmals noch voll funktionsfähige!) Elektronikgeräte nicht nur in privaten Haushalten, sondern auch in Unternehmen und öffentlichen Betrieben an. Es stellt sich also immer öfter die Frage: Wohin mit dem wachsenden Elektronikmüll?


Hinsichtlich der Recyclingfähigkeit besteht die Besonderheit beim Elektronikmüll in der hohen Anzahl verschiedener Komponenten und Materialien. Beispielsweise besteht ein Smartphone aus etwa 60 verschiedenen Rohstoffen, darunter viele begehrte Metalle und seltene Erden.

Laut einer im November 2021 veröffentlichten Studie der Autonomen Universität Barcelona in Zusammenarbeit mit der Organisation Mining Watch Canada werden in den nächsten 30 Jahren fast 3 Milliarden Tonnen Metalle und Minerale wie Kupfer oder Lithium benötigt – allein um die grüne Energiewende im globalen Maßstab zu realisieren. Die Gewinnung solcher Rohstoffe führt nicht nur in hohem Maße zur Ausbeutung der Natur, sondern schürt zudem soziale Konflikte und kriegerische Auseinandersetzungen in den Quellenländern.

Die Lösung

Das Recycling der eingesetzten Stoffe aus der Gebrauchtelektronik sollte daher absolute Priorität vor der Gewinnung neuer Rohstoffe aus der Natur erhalten!

Um hierfür verschiedene Lösungen vorzustellen und zu diskutieren, versammelte sich die Elektronik-Recycling-Branche am 30.11.-01.12.2021 in Frankfurt am Main. Dort sprach ich mit Unternehmen aus verschiedenen Stufen der Recycling-Kette über ihre Produkte und Dienstleistungen und über ihre Herausforderungen und Zukunftspläne.

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Schritte der Umsetzung

Am Anfang der Kette stehen Unternehmen, kommunale Betriebe und Organisationen, die gebrauchte Elektro- und Elektronikgeräte sammeln. Das Sammelgut wird von spezialisierten Firmen zu den weiterverarbeitenden Abfallentsorgungsunternehmen transportiert.

Beispielsweise verfügt eine dieser Transportfirmen mit Sitz in Deutschland über ein weltweites Netz an Niederlassungen und lokalen Partnerschaften. Neben der Transportleistung bietet dieses Unternehmen weitere Dienstleistungen an, z. B. in Form von ausführlicher Beratung zum Recycling sowie zur Berichterstattung über Nachhaltigkeitsmaßnahmen, als auch zum offiziellen Reporting im Rahmen von Vorschriften zur Minimierung der Umweltbelastung. 

Kommunen formulieren in detaillierten Ausschreibungen, welche Geräte recycelt und welche Stoffe extrahiert werden sollen. Verschiedene Recyclingfirmen bewerben sich auf diese Ausschreibungen und werden im Auswahlprozess unter die Lupe genommen. Wer den Ausschreibungsprozess gewinnt, darf die Entsorgung durchführen und benötigt dafür entsprechende technische Anlagen. 

Spezial-Recyclinganlagen werden von Maschinenbaufirmen geliefert. Beispielsweise übernimmt ein deutsches mittelständisches Maschinenbauunternehmen die komplette Abfolge von notwendigen Schritten für die Entstehung einer neuen Recycling-Betriebsstätte:

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Angefangen von der Beratung, der Planung und dem Design über detaillierte Berechnungen bis hin zum konkreten Bau diverser Recyclinganlagen für Elektrogeräte. Die Kundschaft setzt sich aus Entsorgungs- bzw. Recycling-Unternehmen, aber auch aus mittelständischen Herstellern und der Großindustrie zusammen, die Produktionsausschüsse bzw. -abfälle direkt vor Ort recyceln wollen.

Die meisten Hersteller von Recycling-Maschinen spezialisieren sich auf einen bestimmten Teil im Recycling-Prozess: entweder werden Maschinen produziert, die gebrauchte Geräte zerkleinern, oder solche, die die Sortierung und Trennung übernehmen, z.B. durch das Sieben von zerkleinerten Teilen.  Zusätzlich gibt es Maschinen, durch die die Weiterverarbeitung und Bereinigung von metallischen Anteilen in verschiedene Reinmetalle erfolgt.

Die eigentlichen Entsorger bauen das eigene Geschäftsmodell oftmals um nur eine einzige oder zwei Stufen der Recycling-Kette auf. Beispielsweise recycelt ein japanisches Unternehmen Metalle aus alten Leiterplatten bzw. PCBs (Printed Circuit Boards). Von seinen Zulieferern bekommt es bereits ausgebaute Leiterplatten aus Smartphones, Laptops, Autoelektronik usw. Das Unternehmen zerkleinert die PCBs und extrahiert wertvolle Metalle – am häufigsten Kupfer. Der Preis für Kupfer ist in den letzten Jahren stark gestiegen, weil beispielsweise in der steigenden Produktion von e-Autos viel Kupfer benötigt wird. Aber auch recyceltes Gold findet viele Abnehmer.

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Das Besondere an diesem Geschäftsmodell ist, dass die übliche Reihenfolge der Abwicklung eines Kaufvertrags, nämlich Angebot – Preisverhandlung – Bestellung – Lieferung – Zahlung, umgestellt wird. Denn der Entsorger nennt dem Zulieferer den Preis für die Lieferung erst nach Abschluss der Verarbeitung des Elektronikmülls, weil erst dann der tatsächliche Metallgehalt eindeutig festzustellen ist. Die Preise orientieren sich an der Börse London Metall Exchange. Die Abnehmer für recycelte Metalle sind oft Autohersteller. Unter diesen gilt der japanische Hersteller Mitsubishi in Fachkreisen als weltweites Vorbild, da dort die meisten recycelten Metalle in eigener Produktion eingesetzt bzw. wiederverwendet werden.

Doch es gibt auch Unternehmen, die gleich mehrere Stufen der Recycling-Kette im eigenen Geschäftsmodell integrieren. Eines davon ist in Singapur ansässig und spezialisiert auf das Recycling von Batterien und gebrauchten IT-Geräten. Diese Firma holt nicht mehr benötigte IT-Hardware bei anderen Unternehmen ab, überprüft die Funktionsfähigkeit und Vollständigkeit, löscht vorhandene Daten, installiert ein neues Betriebssystem und verkauft taugliche IT-Gebrauchtgeräte. Was den Anforderungen für eine Weiternutzung nicht entspricht, wird verschrottet. 

Während der Messe hatte ich auch Gelegenheit, mit einem weiteren Unternehmen zu sprechen, diesmal aus Finnland, das einen ähnlichen Abschnitt im Recycling-Prozess bearbeitet: 

von der Abholung über die Datenlöschung auf PCs, Laptops und Smartphones bis zur Zerlegung und Zerkleinerung. Dafür hat das Unternehmen in vielen Ländern weltweit Betriebsstätten aufgebaut.

Insbesondere in Deutschland erfreuen sich solche Firmen eines großen Anstiegs der Nachfrage. Grund dafür ist eine in Vorbereitung befindliche Gesetzesänderung zur erweiterten Rücknahmepflicht. Demnach werden große Einzelhandelsketten und Online-Vermarkter künftig verpflichtet, verkaufte Elektro- und Elektronikgeräte nach Gebrauch wieder zurückzunehmen und zu recyceln.

Weitere Folgeschritte der Umsetzung

Nach dem Extrahieren von Metallen aus dem Abfallgemisch kommt nun die nächste Stufe im Wertschöpfungsprozess: die bereits zerkleinerten und aussortierten Abfälle mit hauptsächlich aus Kunststoffen bestehenden Anteilen werden von den Metall-Recycling-Firmen zu Plastik-Recycling-Firmen transportiert. Diese Kunststoff-Recycler übernehmen die Abfallweiterverarbeitung durch Vorreinigung, Entgasung und Durchdrücken vom geschmolzenen Kunststoff durch haarfeine Sieblöcher zum Zwecke der Endreinigung. So entsteht ein schadstofffreies Plastik-Granulat von hoher Qualität, das im Anschluss als vielseitiger Rohstoff für die Produktion von Plastikgütern Verwendung findet: von Autoteilen und Skateboards über Büroartikel bis hin zu Fasern für die Textilindustrie.

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Immer mehr Entsorger übernehmen breitere Abschnitte der Recycling-Kette und wollen nach Möglichkeit eine bereits schlüsselfertige Recyclingfabrik erwerben. Um diesem Bedarf gerecht zu werden, schließen unterschiedlich spezialisierte mittelständische Maschinenbauer strategische Partnerschaften zwischen mehreren Unternehmen. Auf diese Weise können sie – trotz der eigenen Fokussierung auf nur einen Teilbereich der Kette – ebenfalls den gesamten Recycling-Prozess abdecken und sich gegenüber den Großanbietern von kompletten Recycling-Anlagen behaupten.

Anstehende Herausforderungen

Obwohl das Recycling von Elektronikmüll längst gängige Praxis ist und seit fast vier Jahrzehnten existiert, steht die Branche weiterhin vor vielfältigen Herausforderungen: 

Denn Abnehmer für recycelte Kunststoffe zu finden, ist gar nicht so einfach. Nur wenige Unternehmen sind an diesem Recyclingmaterial interessiert, und das in der Regel nur zu sehr niedrigen Preisen. Im Vergleich hierzu sind recycelte Metalle sehr begehrt. 

Um genügend Abnehmer zu finden, sind die Maschinenbauer der Recyclingbranche auf der Suche nach Kundschaft in zahlreichen Ländern. Jedoch ist der Zugang zu vielen ausländischen Märkten nur über lokale Partner bzw. Vermittler möglich. Und diese sind ebenfalls nicht leicht zu finden.

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Außerdem erwarten viele (potentielle) Kunden „Service for free“. Denn der Trend geht immer stärker dahin, nicht nur ein einwandfreies Produkt zu liefern, sondern mit einem Gesamtpaket zu überzeugen. Die zusätzlichen Dienstleistungen verursachen jedoch höhere interne Kosten, die nicht durch mehr Umsätze ausgeglichen werden können.

Eine Geschäftserweiterung in andere Länder ist erfahrungsgemäß mit hohen Investitionen verbunden. Beispielsweise wird auf dem sehr anspruchsvollen chinesischen Markt ein 24-Stunden-Service erwartet. Dieser ist für deutsche und andere europäische Unternehmen nur durch Gründung von lokalen Niederlassungen inklusive Beschäftigung von dort ansässigem Personal leistbar.

Der amerikanische Markt verzeichnet zwar ein starkes Interesse an Recycling-Anlagen, jedoch haben die Abfälle aus Papier und Plastik dort einen ziemlich geringen recycelbaren Anteil. Ein mittelständischer Maschinenbauer aus Frankreich hatte eine interessante Geschäftsidee, um diesen Markt zukunftsfähig zu machen. Die Leistungspalette des Unternehmens wurde um Beratung zur Erhöhung des recycelbaren Anteils erweitert. In den USA werden seit neuestem sogar alte Mülldeponien ausgegraben, weil das Recycling dort generell bis vor kurzem kaum ein Thema war und insbesondere die Suche nach wertvollen Metallen in Altdeponien vielversprechend erscheint.

Dagegen werden Singapur und Süd-Korea als Recycling-Vorreiter bezeichnet und sind technisch bestens ausgestattet.

Die gesetzlichen Vorschriften sind – je nach Land und Wertstoff betrachtet – sehr verschieden. Die Zusammensetzung und der Schadstoffgehalt in den Endprodukten der Recyclingprozesse werden unterschiedlich gehandhabt. Die Europäische Union ist in diesem Zusammenhang bekannt für die strengsten Vorschriften. Die Komplexität des „Vorschriftendschungels“ im Umgang mit diversen Recyclingmaterialien zu managen, gehört daher zur Tagesordnung der gesamten Branche. 

Die Recyclingbranche verändert sich in schnellem Tempo, und das nicht nur aufgrund von Regulatorien. Da sich eine Vielzahl von Produkten, aus denen Abfälle entstehen, permanent weiterentwickeln, muss auch der nachgelagerte Recyclingprozess, z.B. die Sortierung solcher sich ständig verändernder Produkte, immer wieder angepasst werden, damit die einzelnen Bestandteile auch weiterhin von den Anlagen gut erkannt und entsprechend sortiert werden können.

Die Unternehmen sind also gefordert, im ständigen Austausch mit anderen Branchen zu stehen, um rechtzeitig über anstehende Produktveränderungen informiert zu sein und die dafür erforderlichen technischen Lösungen zu entwickeln. Nur so bleiben sie dauerhaft „up-to-date“ und damit konkurrenzfähig am Markt.

Somit liegt der Schlüssel zum Erfolg in einer anhaltend hohen Innovationsfähigkeit begründet. Aktuell wird an der Entwicklung von neuen Maschinen gearbeitet, die moderne technische Erfindungen gut recyclen können. Schwerpunkte der Forschung und Entwicklung sind das Recycling von Batterien für Elektroautos, Solarpanelen und Photovoltaikanlagen.

https://www.ewaste-expo.com

https://www.bmu.de/pressemitteilung/supermaerkte-sollen-elektroaltgeraete-zuruecknehmen

https://miningwatch.ca/publications/2021/11/22/mapping-mining-impacts-energy-transition

https://www.nachhaltigkeitsstrategie.de/fileadmin/Downloads/
Publikationen/Strategie/Gut_zu_wissen/GZW_nutzen_verwerten_
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https://ejatlas.org