Messe Plastikmüllfreie Welt & Grüne Produktion

Am 10. und 11. November 2021 sprach ich auf der Messe in Köln mit 22 Unternehmen aus Finnland, Schweden, Slowenien, Italien, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Belgien, Österreich, Japan und natürlich aus Deutschland.

Was macht eine Produktion grün?

Spannende digitale Lösungen gibt es im Bereich Energieeinsparung. Mittelständische Unternehmen perfektionieren ihre selbstentwickelten Software-Apps und setzen dazu Künstliche Intelligenz ein. Mithilfe dieser modernen Software lässt sich der Energieverbrauch in Produktionsbetrieben, im Handel und in den kommunalen Einrichtungen messen. Gleichzeitig liefert sie konkrete Umsetzungsvorschläge, um den Energieverbrauch zu reduzieren.

Diese Software-Anbieter sind aktuell dabei, international zu expandieren. Hierbei geht es nicht nur um die Übersetzung der Software in mehrere Sprachen, sondern auch um die Eröffnung der ersten ausländischen Niederlassungen. Schließlich erwartet die Kundschaft eine Betreuung vor Ort und in eigener Sprache, ganz gleich, ob es um die Hotline-Unterstützung oder Installations- und Wartungsarbeiten geht.

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Eine Neugründung im Bereich Windenergie präsentierte eine interessante­­ Geschäftsidee: Das Unternehmen fungiert als Vermittler und bringt Firmen, die gerne in den Bau eines Windparks investieren möchten, mit den Baufirmen zusammen, die Windparkanlagen installieren. Die Umsetzungsmöglichkeiten reichen vom Bau eines Windrads auf dem eigenen Betriebsgelände bis hin zu größeren Windparks, die als Gemeinschaftsprojekte in geeigneten Gegenden entstehen. Der dort produzierte Strom wird zu den Investor-Betrieben transportiert. Die grüne Investitionstätigkeit wird somit mit der eigenen Nutzung von erneuerbarer Energie kombiniert – ein wahres Highlight für die Ökobilanz eines Unternehmens!

Unsere Welt erstickt im Plastikmüll. Ist Bioplastik unsere Rettung?

Die Herstellung von Biokunststoffen wird sowohl von Start-ups als auch von traditionsreichen Großunternehmen in Angriff genommen. Bioplastik wird aus pflanzlichen Bestandteilen produziert, z. B. Naturfasern, Zellulose aus Holz, Stärke aus Kartoffeln, und damit aus nachwachsenden Rohstoffen.

Die Anwendungsbereiche für Bioplastik sind sehr vielfältig: die Endprodukte reichen vom Einweggeschirr und Verpackungen in der Lebensmittelindustrie, über Kleidung und Taschen in der Textilbranche, den Heilungsprozess beschleunigenden OP-Hilfen in der Medizin bis hin zu Abdeckungsfolien für Agrarflächen in der Landwirtschaft. Optisch sind Gegenstände aus Bioplastik von herkömmlichen Kunststoffen oft kaum zu unterscheiden.

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Der entscheidende Vorteil von Bioplastik ist seine viel schnellere Abbaufähigkeit im Vergleich zu Kunststoffen auf Erdölbasis. Einige Biokunststoffe sind in der Erde oder im Haushaltskomposter innerhalb von 6 Monaten vollständig bioabbaubar. Andere Biokunststoffsorten werden in einem speziellen Industriekomposter unter Zugabe von Bakterien bzw. Milchsäure abgebaut. Dies verkürzt die Abbauzeit sogar deutlich auf ca. 2 Monate.

Bioplastik ist nicht nur durch seine schnelle Abbaufähigkeit viel nachhaltiger, sondern auch schon durch den Herstellungsprozess: neben dem grundsätzlichen Verzicht auf Erdöl wird CO2 aus der Atmosphäre extrahiert und im Produkt gebunden. Ist die Entsorgung der Endprodukte nach Verwendung durch Verbrennung unvermeidbar, gibt Bioplastik das zuvor entnommene CO2 zurück in die Atmosphäre, während erdölbasierter Kunststoff zusätzliches CO2 freisetzt.

Immer häufiger werden biologische Enzyme zur Beschleunigung von chemischen Reaktionsprozessen verwendet. Eine Neuheit sind hier wiederverwendbare Enzym-Batterien, die eine viel längere Nutzungsdauer ermöglichen und außerdem platzsparend sind.

Doch die Hersteller von Bioplastik kämpfen mit vielen Herausforderungen:

Kann Papier zukünftig Plastik ersetzen?

Alteingesessene Papierhersteller entwickelten in den letzten Jahren neue Technologien für Papier, das von seiner Funktionalität und oft auch von der Optik sehr nah an Plastik herankommt. Daraus lassen sich wasserfeste Papiertrinkbecher, Verpackung für die Tiefkühlkost und sogar festes Besteck aus Karton herstellen.

Im Grunde genommen geht es hier um Papier mit einer mehr oder weniger großen Beimischung von Plastikanteilen – je nach Endanwendung. Im Fall von „mehr“ handelt es sich um Papier, das mit einer dünnen Plastikfolie kaschiert ist. Bei „weniger“ handelt es sich um Papier mit unverbundenen Plastikfasern oder einzelnen Plastikmolekülen (eine Art Anstrich und keine durchgängige Schicht). Gestrichenes Papier lässt sich immer noch schnell abbauen oder wie reines Papier recyceln.

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Doch auch hier geht die Durchsetzung der Preise auf dem Absatzmarkt nur schleppend voran. Der Preis für derartige Verpackung ist um etwa das Dreifache höher als für traditionelle Plastikverpackung. Die Bereitschaft der Abnehmer, auf die neuen Materialien umzusteigen, ist daher eher gering.

Außerdem birgt die vor kurzem verabschiedete EU-Gesetzgebung viel Ungewissheit. Einerseits lässt sie viel Auslegungsspielraum und andererseits ist noch offen, wie sie in einzelnen Ländern umgesetzt und in den lokalen gesetzlichen Regelungen verankert wird.

Etwas Plastik bzw. Polymere ist in den meisten Papierverpackungen enthalten. Wieviel Plastik im Papier darf noch als „plastikfrei“ und nachhaltig deklariert werden?

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Im schlimmsten Fall könnte es am Ende bedeuten, dass ein Unternehmen, sofern es seine Produkte EU-weit exportiert, allein für diesen Markt 26 verschiedene Produktvarianten herstellen müsste. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht bedeutet dieser Umstand den Verlust von Skalierungseffekten als Vorteil der Massenproduktion und in Folge höhere Unternehmenskosten.  Da diese höheren Kosten nicht an den Abnehmer weitergegeben werden können, schmälert dies die Gewinnmargen der Papierhersteller und damit insgesamt das Interesse der Branche an dieser neuen Technologie.

Wohin mit den Müllbergen aus Plastik?

Plastikabfälle sind eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Ein junges Unternehmen, das gerade dabei ist, die Start-up-Phase zu verlassen, hat eine neue Technologie zur Lösung des Plastikmüllproblems entwickelt:

Aus Plastikabfall wird auf chemischen Wegen über den Gaszustand eine Flüssigkeit hergestellt, die für Petrochemie-Konzerne als Rohstoff dient. Diese faszinierende Technologie wurde zusammen mit einer Hochschule entwickelt. Das Unternehmen hat die Entwicklung bis zur Marktreife selbständig vorangetrieben. Nun wird die erste große Produktionsanlage gebaut und schon bald die Industrialisierungsphase gestartet.

Ein spezielles Problemfeld beim Recyceln von Plastik sind aluminiumbeschichtete Altverpackungen. Verpackungen aus Plastikfolien oder Papier mit einer Aluminiumschicht sind sehr beliebt, denn sie sind robust, praktisch, wasserfest und halten Lebensmittel lange frisch und schädlingsfrei. Doch sie sind äußerst schwierig zu recyceln. Ein Unternehmen hat genau dafür eine neue Technologie entwickelt. Derartige Mehrkomponentenverpackungen werden zerkleinert und chemisch bearbeitet. Das so entstehende Granulat wird durch das Schmelzen für die Herstellung von neuen Gegenständen aus Kunststoffen verwendet.

Ein anderes Unternehmen spezialisiert sich auf das Recycling von vielschichtigen Kunststoffen – mithilfe von chemischen, dennoch umweltfreundlichen Prozessen. Das Produkt wird dann an Petrochemie-Konzerne als Rohstoff verkauft, um daraus neue Kunststoffe herzustellen.

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Diese innovativen Firmen arbeiten hart daran, Kunden für ihre neuen Technologien zu begeistern und deren Vertrauen zu gewinnen.

Auch die Maschinenbaubranche ist mit im Boot und bietet eigene Lösungen für die Kreislaufwirtschaft. Hier geht es um Maschinen und Anlagen zum Recyceln von Plastik auf dem nichtchemischen Weg, also durch Zerkleinerung, Säuberung und Thermobearbeitung. Zusätzlich gibt es Maschinen, die die Mülltrennung mithilfe von Infrarot-, Laser-, oder Magnettechnologien übernehmen und solche, die die Abbaufähigkeit von verschiedenen Materialien und Endprodukten in Böden (und übrigens bald auch in Süß- und Meerwasser) messen und offiziell zertifizieren

Die auf Recyclinganlagen spezialisierten Maschinenbauer erfreuen sich seit ein paar Jahren eines starken Wachstums. Der Grund dafür liegt nicht zuletzt darin, dass China die Aufnahme von Plastik-abfällen aus Deutschland, Europa und den USA seit 2018 verweigerte. Dadurch wurden westliche Länder gezwungen, den Export von Plastikmüll zu reduzieren und das Recycling im eigenen Land auszubauen. Die Nachfrage nach geeigneten Maschinen stieg somit stark an.

Doch auch hier sind Wachstumshürden zu verzeichnen. Um die gestiegene Anzahl von Bestellungen zu bedienen, müssen neue Betriebsstätten errichtet werden. Aufgrund der kapitalintensiven Herstellungsanlagen und -prozesse sind dazu große Investitionen erforderlich. Außerdem führen die aktuellen Verzögerungen bei den Zulieferern dazu, dass die bestehenden Kunden aufgrund von fehlenden Bauteilen teilweise nicht rechtzeitig beliefert werden können.

Was gehört darüber hinaus zur Kreislaufwirtschaft?

Die konkreten Umsetzungsmodelle für die so notwendige Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft sind vielfältig. Während die einen auf effizientem Recycling basieren, setzen die anderen auf die Verlängerung der Nutzungsdauer sowie die gemeinsame Nutzung von Betriebsmitteln.

Ein global agierendes Unternehmen vermietet wiederverwendbare Transportkisten aus Plastik an Bauern und Lebensmittelhändler. Es übernimmt die Säuberung, Wartung, Zustellung sowie Abholung und sogar das umweltfreundliche Recyceln dieser Kisten. Ein äußerst erfolgreiches Konzept, das bereits mehrfach international ausgezeichnet wurde.

Eine andere Firma hat eine Software entwickelt, die sich auf die Verfeinerung und Verbreitung von Pfandflaschensystemen spezialisiert. Mithilfe eines einmaligen Barcodes für jede einzelne Flasche  im Herstellungsprozess von Getränken, und der simultanen Verarbeitung von großen Datenbanken in einer Cloud während der Rückgabe von leeren Pfandflaschen, wird der Betrug mit Pfandflaschen vermieden.

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Diese sichere und sehr zuverlässige Technologie wird momentan in einem Pilotprojekt mit Milliarden von Datensätzen getestet. Sie erhöht wesentlich die Akzeptanz der Pfandflaschensysteme und beschleunigt deren Einführung in vielen Ländern. Damit das neue System in der Praxis funktioniert, müssen die mächtigen Getränkehersteller auf dem globalen Oligopol-Markt mit ins Boot geholt werden. Ich wünsche dem Unternehmen viel Mut und Durchsetzungskraft bei der intensiven Überzeugungsarbeit.

Ein Start-up bringt gerade ein innovatives Produkt auf den Markt: einen Silikon-Aufsatz als Verschluss für Glasflaschen mit dem Ziel, Plastiktuben – die für Saucen in der Lebensmittelindustrie und für Cremes in der Kosmetikbranche so beliebt sind – durch Glasflaschen zu ersetzen. Der neue Aufsatz ermöglicht eine bequeme Nutzung und den restlosen Verbrauch vom Flascheninhalt und ahmt somit die zwei wichtigsten Funktionen einer Plastiktube nach. Außerdem wird hier die Möglichkeit der Wiederverwendung der Glasflaschen eröffnet.

So innovativ die Ideen, so vielfältig die Ansätze auch sind – bei der Umstellung auf die Kreislaufwirtschaft befinden wir uns noch ganz am Anfang.

Unsere Welt ist zu sehr auf die lineare Wirtschaft ausgerichtet! Sie funktioniert wie ein Förderband und läuft immer nur in eine Richtung:

Wir entnehmen Rohstoffe aus der Natur, verbrauchen Sie zur Herstellung unserer Güter und vermüllen unsere Umwelt mit den Abfällen. Und mit jedem einzelnen Tag schwinden unsere begrenzten Rohstoffe, während die Natur unter der Last der Abfallberge erstickt und der Lebensraum – nicht nur für die Menschheit, sondern für alle Lebewesen – immer weiter schrumpft.

Die deshalb nahezu überlebenswichtige Umstellung auf die Kreislaufwirtschaft, die eine Vermeidung von Abfällen und die Wiederverwendung bereits im Produktionsprozess verwendeter Rohstoffe ermöglicht, ist jedoch kein Selbstläufer und wird unsere ganze Kreativität herausfordern.

Eine der momentan größten Herausforderungen dieser Umstellung liegt darin, dass …

erst gegründet werden müssen.

Die sogenannte Rückführungslogistik muss erst neu entstehen.

Die komplette vorgelagerte und nachgelagerte Wertschöpfungskette gilt es jetzt aufzubauen, damit die Kreislaufwirtschaft in Zukunft funktioniert.

Eins ist jedoch schon heute klar: eine vollständig plastikfreie Zukunft wird es nicht geben.

Doch sollten wir sehr achtsam sein und künftig Kunststoffe nur dann verwenden, wenn es wirklich unvermeidbar ist – und dabei gleichzeitig gewährleisten, dass die Plastikabfälle vollständig bzw. weitestgehend recycelbar sind.

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https://greener-manufacturing.com